Erschienen am 06.03.2010

Montag, 19. April 2010

Buchbesprechung von Roland Werner

„Geistgewirkt – geistbewegt.“ Dieses Buch hat sich ein großes Ziel gesetzt. Es will die charismatische Bewegung, - also den Neuaufbruch von Geisterfahrungen im 20. Jahrhundert, und die verstärkt entstandene messianische Bewegung – also das Entstehen von Gemeinden von Juden, die Jesus als den Messias erkannt haben – nachzeichnen und der Botschaft nachspüren, die Gottes Geist in diesen beiden parallel entstandenen und sich gegenseitig beeinflussenden Bewegungen im Leib Christi zum Ausdruck bringen will.

Ich habe das Buch in die Hand bekommen und in einem Rutsch gelesen. Ich konnte und wollte nicht aufhören. Denn dieser Sammelband trägt wirklich Zündstoff in sich. Zündstoff des Heiligen Geistes, der ein Feuer des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung in unseren Herzen anzünden kann.

Angestoßen und ermutigt von ihrem Großvater Albrecht Fürst zu Castell-Castell bringt Marie-Sophe Lobkowicz in diesem Sammelband die unterschiedlichsten Beiträge zusammen. In Form und Inhalt sind sie zum Teil sehr verschieden. Und doch führen sie alle zusammen zu einem Ziel. Einem Ziel, das am besten mit drei Begriffen zu beschreiben ist: Hoffnung, Versöhnung, Einheit.

Um das zu beschreiben, nimmt das Buch den Leser mit auf einen Weg. Genauer gesagt auf viele Wege. Hier wird Geschichte geistlich gedeutet. Herausragend sind für mich unter allen lesenswerten Beiträgen besonders die geschichtliche Entfaltung des Verhältnisses von jesusgläubigen Juden und Nichtjuden (Judenchristen und Heidenchristen) in den ersten Jahrhunderten nach Christus (Guido Baltes), die Darstellung der inneren und äußeren Entwicklung der messianischen Gemeinden in Israel seit 1971 (Benjamin Berger) und in Deutschland (Wladimir Pikman) sowie der charismatischen Bewegung (Friedrich Aschoff) und der charismatischen Erneuerung in der katholischen Kirche (Christoph Hemberger). Diese und die anderen geschichtlichen Überblicke bilden den Rahmen für ein geistliches Nachdenken, Umdenken und neu Vorwärts-Denken, das so nötig ist. Denn noch ist das Verhältnis zwischen Juden und Christen nicht spannungsfrei, und leider auch nicht das zwischen „Judenchristen“ und „Heidenchristen“. Hier hilft es, Zusammenhänge und Verwerfungen zu erkennen und zu verstehen, wohin der Heilige Geist uns bewegen will.

Einen zweiten Schwerpunkt bilden die persönlichen Berichte, in denen der Leser an die Hand genommen mitten in die Fragen, Gefühle, Bedenken, Erfahrungen und Hoffnungen, die die Einzelnen bewegt haben und bewegen. Ohne Bewegung kann man diese Berichte nicht lesen, und gerade darum sind sie so wertvoll. Allen voran ist der Bericht (Christoph Joest/Br. Franziskus) über das Leben von Br. Mose Marc Hoffmann zu nennen, der als Hippie in den USA Jesus findet, als Bruder der deutschen! Jesusbruderschaft seine jüdischen Wurzeln wiederentdeckt und schließlich sein Leiden und Sterben am Krebs im Kreis der Jesusbrüder als tiefe Identifikation mit Jesus erlebt. Herausragend für mich sind neben den anderen auch besonders die Berichte von Cecily zu Salm-Salm und Constanze Benecke über das Jugend- und Studentenprogramm Yad b’Yad (hebräisch: Hand in Hand). Was sie bei ihren israelisch-deutschen Begegnungen, vor allem in Auschwitz und Birkenau erfahren haben, wirft tiefe Fragen auf nach der Notwendigkeit und Wirklichkeit von Versöhnung, nach unserer Identität als Deutsche und nach Gottes Plan mit uns. Dass Versöhnung alle verändert, und dass wir diese Versöhnung und Veränderung so nötig haben, ist mir beim Lesen neu bewusst geworden.

Und dann sind da noch die Beiträge, die die Hoffnung für die Zukunft beschreiben und den geistlichen Rahmen dafür entfalten. Grundlegend wird dafür die gemeinsame Mission von Juden und Christen skizziert (Tilbert Moser), der geistliche Untergrund im „Heiligen Mahl und Schabbat“ gelegt (Hans Scholz) und der notwendige Weg zu einem zweiten Jerusalemer Konzil aufgezeichnet (Hubertus Benecke). Wegweisend sind auch die Geleitworte von katholischer und evangelischer Seite (Christoph Kardinal Schönborn und Ulrich Wilckens) und vor allem das geistlich verdichtete Abschlusswort über die Hoffnung auf Einheit (Albrecht Fürst Castell).

Wege der Versöhnung, gewirkt von Gottes Geist. Das Buch ist eine Hilfe zur Standortbestimmung eröffnet einen neuen Blick auf das Ziel: Versöhnung und Einheit. Dass das dann nicht nur „messianische Juden“ und „Heidenchristen“ umfassen soll, nicht nur Juden und Deutsche, sondern auch noch viele, ja alle anderen, Polen, Engländer, Araber, Palästinenser usw., das scheint an manchen Stellen durch.

Fazit: Unbedingt lesenswert! Mich hat das Buch bewegt und wird es weiter bewegen. Ich lese es gleich noch einmal.

Dr. Roland Werner, Marburg

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen